Das Schönste beim Reisen sind die überraschenden
Entdeckungen und Begegnungen. Wie die, die wir in Mawlamyaing, einer Stadt im Süden
von Burma, gemacht haben:
Als eine der grössten Städte Burmas und nahe der Küste gelegen, hatte Mawlamyaing ihre Blütezeit während der Britischen Zeit, unter
anderem inspirierte sie Schriftsteller wie Kipling und Orwell zu ein paar
beeindruckenden Reiseberichten. Heute sind die Kolonialbauten meist verfallen
und eher gesichtslose Betonbauten gestalten das Stadtbild; auf den ersten Blick
kann uns die Stadt ihren Reiz nicht offenbaren. Die Sehenswürdigkeiten muss man
etwas suchen und so sind wir auch fast die einzigen ausländischen Touristen in
der Stadt.
Und wieder hilft uns der alte Trick: von der Hauptstrasse
einmal links abbiegen, ein paar Meter gehen und dann wieder rechts abbiegen. Dann
stehen wir in einer kleinen, engen Gasse mit zweistöckigen, schmalen
Holzhäusern. Meistens aus dunklem Holz, zum Teil bunt bemalt oder mit schönen
Holzverzierungen. Unten sind alle Häuser offen und die Leute sitzen im
Schatten, plaudern oder arbeiten, die Kinder spielen oder machen Hausaufgaben.
Und überall gehen die Mönche und Novizen mit ihren Almosenschalen.
Am Ende der Gasse kommen wir wieder zu einer grösseren
Strasse und werden beim nächsten Teehaus von einem Motorrad-Taxi-Fahrer
angesprochen. Wir verbringen mit ihm den restlichen Tag:
Er erzählt uns die Geschichte der Stadt und führt uns in ein
Kloster, in welchem über 200 Waisenkinder leben. Wir werden vom Abt zu Tee,
Früchten und Lah Pet eingeladen, dem typischen Burmesischen Grünteesalat. Die
Kinder im Kloster stammen aus den umliegenden Konfliktgebieten und leben im Kloster
als Novizen oder Nonnen; sie erhalten ein sicheres Dach über dem Kopf und
Ausbildung. Morgens ziehen sie durch die Strassen der Stadt und sammeln
Almosen.
Zu dritt fahren wir mit dem Motorrad auf einen Hügel mit
wunderbarer Aussicht über Mawlamyaing; entlang der Hügelkette liegen mehrere
prächtige Pagoden und wunderschöne alte Teak-Holz-Klöster. Und zum Schluss
bringt uns unser Freund in ein kleines Restaurant mit dem besten Essen, welches
wir in Burma hatten.
Noch spannender ist es jedoch, die Lebensgeschichte des
Mannes zu hören. Er war eigentlich Jurist und arbeitete in den Achtzigerjahren
als Anwalt. Als sich Ende der Achtzigerjahre eine Opposition gegen die
Militärregierung zu bilden begann, schloss er sich der an und wurde in Mawlamyaing
zu einem der Anführer der Demonstrationen, welche 1988 im ganzen Land
entflammten – die Lebensbedingungen für die einfachen Menschen waren bereits
miserabel, das Fass zum Überlaufen brachte jedoch der Entscheid der Regierung,
von einem Tag auf den anderen drei von fünf Geldscheinen für ungültig zu
erklären, nur weil sie nicht durch neun (die Glückszahl des Obersten Generals)
teilbar waren. Da die Noten nicht umgetauscht werden konnten und die einfachen
Leute ihre Ersparnisse zuhause in diesen Noten hatten, verloren vor allem die
ärmeren Leute dadurch fast ihr ganzes Vermögen.
Die Aufstände zogen sich durchs ganze Land und unser Freund
zeigte uns die Pagode, in welcher er gegen 40 Tage lebte und mit seinen
Gefährten jeden Tag zu tausenden von Menschen sprach, bis die Armee einzog und
die Demonstrationen im September 1988 brutal stoppte. Viele der Aktivisten
waren zum Teil bis 2012 in Haft. Auch unser Taxifahrer war in Haft und kam erst
nach ein paar Jahren wieder frei, ihm wurden jedoch alle Dokumente entzogen. Da
er sich weiter politisch engagierte, konnte er nicht mehr in seinen Beruf
zurück, sondern musste sein Geld als Trishaw-Fahrer, später als Motorrad-Taxi-Fahrer
verdienen. Noch drei weitere Male war er in Haft (bis im Juli 2012) und mehrere
Jahre lebte er in Flüchtlingscamps in Thailand. Auch für das Familienleben war
dies eine grosse Belastung; seine Frau wusste nie, ob er noch lebte, hatte
keine finanzielle Unterstützung und auch heute muss er ab und zu abends die
Erinnerung an Folter und Haft mit viel Rum wegspülen.
Daher ist er umso glücklicher, dass seine Ehe trotzdem hielt
und immer noch ist er voller Energie und diskutiert er jeden Tag und
leidenschaftlich mit Burmesen und Ausländern über die Politik des Landes. Wie
viele Burmesen, die wir trafen, ist er noch zurückhaltend optimistisch über den
aktuellen demokratischen Prozess und legt er grosse Hoffnungen in die Wahlen
2015, bei denen alle Parteien zugelassen werden sollten und welche das Land endlich
in eine freie Demokratie führen könnten.
Noch immer sind jedoch hunderte von Menschen in Haft, nur
aufgrund ihrer politischen Aktivitäten und hunderttausende Burmesen in den
Flüchtlingslagern an der Grenze in Thailand. Ein paar ihrer Geschichten wurden
in den letzten Jahren gesammelt unter:
http://burmavoices.com/
http://burmavoices.com/
Viele weitere Informationen zur Menschenrechtssituation in
Burma werden dokumentiert von Organisationen wie Amnesty oder Human Rights
Watch:
http://www.amnesty.org/en/region/myanmar/report-2012
http://www.amnesty.org/en/region/myanmar/report-2012
Interessant ist auch das Burma Factsheet, zusammengestellt
von mehreren NGOs:
Für alle, die sich für Burma engagieren möchten, empfehlen
wir die Schweizerisch-Burmesische Organisation Saydanar, welche unseren
Aufenthalt im Kloster in Kyauktan organisierte und sich vor allem für die Verbesserung
von Bildung und Medizinischer Versorgung und damit die langfristige
Verbesserung der Lebensumstände der Menschen engagiert: