Freitag, 29. März 2013

Eine eindrückliche Begegnung


Das Schönste beim Reisen sind die überraschenden Entdeckungen und Begegnungen. Wie die, die wir in Mawlamyaing, einer Stadt im Süden von Burma, gemacht haben:

Als eine der grössten Städte Burmas und nahe der Küste gelegen, hatte Mawlamyaing ihre Blütezeit während der Britischen Zeit, unter anderem inspirierte sie Schriftsteller wie Kipling und Orwell zu ein paar beeindruckenden Reiseberichten. Heute sind die Kolonialbauten meist verfallen und eher gesichtslose Betonbauten gestalten das Stadtbild; auf den ersten Blick kann uns die Stadt ihren Reiz nicht offenbaren. Die Sehenswürdigkeiten muss man etwas suchen und so sind wir auch fast die einzigen ausländischen Touristen in der Stadt.

Und wieder hilft uns der alte Trick: von der Hauptstrasse einmal links abbiegen, ein paar Meter gehen und dann wieder rechts abbiegen. Dann stehen wir in einer kleinen, engen Gasse mit zweistöckigen, schmalen Holzhäusern. Meistens aus dunklem Holz, zum Teil bunt bemalt oder mit schönen Holzverzierungen. Unten sind alle Häuser offen und die Leute sitzen im Schatten, plaudern oder arbeiten, die Kinder spielen oder machen Hausaufgaben. Und überall gehen die Mönche und Novizen mit ihren Almosenschalen.

Am Ende der Gasse kommen wir wieder zu einer grösseren Strasse und werden beim nächsten Teehaus von einem Motorrad-Taxi-Fahrer angesprochen. Wir verbringen mit ihm den restlichen Tag:

Er erzählt uns die Geschichte der Stadt und führt uns in ein Kloster, in welchem über 200 Waisenkinder leben. Wir werden vom Abt zu Tee, Früchten und Lah Pet eingeladen, dem typischen Burmesischen Grünteesalat. Die Kinder im Kloster stammen aus den umliegenden Konfliktgebieten und leben im Kloster als Novizen oder Nonnen; sie erhalten ein sicheres Dach über dem Kopf und Ausbildung. Morgens ziehen sie durch die Strassen der Stadt und sammeln Almosen.

Zu dritt fahren wir mit dem Motorrad auf einen Hügel mit wunderbarer Aussicht über Mawlamyaing; entlang der Hügelkette liegen mehrere prächtige Pagoden und wunderschöne alte Teak-Holz-Klöster. Und zum Schluss bringt uns unser Freund in ein kleines Restaurant mit dem besten Essen, welches wir in Burma hatten.

Noch spannender ist es jedoch, die Lebensgeschichte des Mannes zu hören. Er war eigentlich Jurist und arbeitete in den Achtzigerjahren als Anwalt. Als sich Ende der Achtzigerjahre eine Opposition gegen die Militärregierung zu bilden begann, schloss er sich der an und wurde in Mawlamyaing zu einem der Anführer der Demonstrationen, welche 1988 im ganzen Land entflammten – die Lebensbedingungen für die einfachen Menschen waren bereits miserabel, das Fass zum Überlaufen brachte jedoch der Entscheid der Regierung, von einem Tag auf den anderen drei von fünf Geldscheinen für ungültig zu erklären, nur weil sie nicht durch neun (die Glückszahl des Obersten Generals) teilbar waren. Da die Noten nicht umgetauscht werden konnten und die einfachen Leute ihre Ersparnisse zuhause in diesen Noten hatten, verloren vor allem die ärmeren Leute dadurch fast ihr ganzes Vermögen.

Die Aufstände zogen sich durchs ganze Land und unser Freund zeigte uns die Pagode, in welcher er gegen 40 Tage lebte und mit seinen Gefährten jeden Tag zu tausenden von Menschen sprach, bis die Armee einzog und die Demonstrationen im September 1988 brutal stoppte. Viele der Aktivisten waren zum Teil bis 2012 in Haft. Auch unser Taxifahrer war in Haft und kam erst nach ein paar Jahren wieder frei, ihm wurden jedoch alle Dokumente entzogen. Da er sich weiter politisch engagierte, konnte er nicht mehr in seinen Beruf zurück, sondern musste sein Geld als Trishaw-Fahrer, später als Motorrad-Taxi-Fahrer verdienen. Noch drei weitere Male war er in Haft (bis im Juli 2012) und mehrere Jahre lebte er in Flüchtlingscamps in Thailand. Auch für das Familienleben war dies eine grosse Belastung; seine Frau wusste nie, ob er noch lebte, hatte keine finanzielle Unterstützung und auch heute muss er ab und zu abends die Erinnerung an Folter und Haft mit viel Rum wegspülen.

Daher ist er umso glücklicher, dass seine Ehe trotzdem hielt und immer noch ist er voller Energie und diskutiert er jeden Tag und leidenschaftlich mit Burmesen und Ausländern über die Politik des Landes. Wie viele Burmesen, die wir trafen, ist er noch zurückhaltend optimistisch über den aktuellen demokratischen Prozess und legt er grosse Hoffnungen in die Wahlen 2015, bei denen alle Parteien zugelassen werden sollten und welche das Land endlich in eine freie Demokratie führen könnten.

Noch immer sind jedoch hunderte von Menschen in Haft, nur aufgrund ihrer politischen Aktivitäten und hunderttausende Burmesen in den Flüchtlingslagern an der Grenze in Thailand. Ein paar ihrer Geschichten wurden in den letzten Jahren gesammelt unter:
http://burmavoices.com/

Viele weitere Informationen zur Menschenrechtssituation in Burma werden dokumentiert von Organisationen wie Amnesty oder Human Rights Watch:
http://www.amnesty.org/en/region/myanmar/report-2012

Interessant ist auch das Burma Factsheet, zusammengestellt von mehreren NGOs:

Für alle, die sich für Burma engagieren möchten, empfehlen wir die Schweizerisch-Burmesische Organisation Saydanar, welche unseren Aufenthalt im Kloster in Kyauktan organisierte und sich vor allem für die Verbesserung von Bildung und Medizinischer Versorgung und damit die langfristige Verbesserung der Lebensumstände der Menschen engagiert:






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