Montag, 28. Januar 2013

Mingalaba und Tschesuthemate in Kyauktan

Schlafen auf einer dünnen Strohmatte. Um 4 Uhr aufstehen. Stille. Meditation. Nur trockener Reis. Und ab 12 Uhr mittags gar nichts mehr zu essen. So haben wir uns den Monat im buddhistischen Wai Lu Wun Kloster vorgestellt. Was uns erwartet hat?

Hier die Beschreibung eines Tages.

4 Uhr: Die Stille wird unterbrochen durch das Schlagen auf eine hölzerne Glocke. Zeichen aufzustehen. Aber nicht für uns, sondern für die Mönche, die jetzt durchs Dorf ziehen und von den Bewohnern Reis und weitere Gaben fürs Frühstück bekommen. Wir drehen uns auf unseren bequemen Matratzen nochmals um.

7 Uhr: Nun stehen auch wir auf. Sagen guten Morgen zu Sayadaw, dem obersten Mönch im Kloster, und freuen uns auf das üppige Frühstück. Mohinga, der Lieblings-Zmorge der Burmesen: Nudeln mit Gemüse-/Fischsuppe verfeinert mit Chili, Koriander und knusprig gebackenen Maisflakes. Dazu frittierte Bio-Gemüsestäbchen aus dem Klostergarten. Mmh!

8 Uhr: Das Gelände des Klosters füllt sich. Insgesamt 300 Kinder in grün-weissen Uniformen treffen ein. Alle sind Kinder aus armen Familien der umliegenden Bauerndörfer, die hier gratis eine Ausbildung bekommen. Und auch einige Waisenkinder aus Konfliktgebieten im Land erhalten hier Unterschlupf und Schulbildung. Wir sagen einigen Kindern „Hallo“ und gehen in die kleine Bibliothek, um an einem Computer mit Internetanschluss Mails zu checken. Und stellen fest, dass gerade Stromausfall ist.
 

9 Uhr: Eigentlich wollten wir nur einige Schritte ums Kloster spazieren bis der Strom wieder da ist. Wir werden aber abgefangen von Uke-Di, einem Mönch aus unserem Kloster. Dieser nimmt uns mit auf einen Spaziergang über die Felder ins Dorf. Und schon sind wir bei einer Familie in einer einfachen Holzhütte mit Strohdach. Eine Matte wird für uns ausgerollt und wir sitzen alle auf dem Boden. Ausser Uke-Di, der am offenen Fenster auf einem kleinen Stuhl hockt und Betelnuss kaut. Wir reden mit Händen und Füssen, essen süsse Fruchtkonfitüre und trinken Tee. Bald schon ist die ganze Nachbarschaft im Haus. Ninas Gesicht wird mit Thanaka verschönert. Ingo bekommt kleine Blumen, um diese ins Hemd zu stecken. Nach dem Besuch geht es weiter: wir laufen zur Toni-Brücke (siehe letzter Blog-Eintrag), besuchen eine Weberei, in der von Hand auf knorrigen Webstühlen bunte Stoffe gewebt werden. Schliesslich noch ein Abstecher in einen Garten, in dem viele Frauen am Boden sitzen und Früchte schneiden, die dann in grossen Tontöpfen eingelegt werden. Wir kosten die Leckereien und bekommen als Wegzehrung 2 mit Früchten gefüllte Tüten mit.

11 Uhr: Zurück im Kloster. Besuch ist da. Eine Gruppe von Donatoren („Spendern“), die anlässlich des Geburtstags vom Grossvater den Kloster-Kindern ein Mittagessen offerieren. Da die Schule in keiner Weise staatlich unterstützt wird und die Kinder aus ärmsten Verhältnissen stammen, ist man auf grosszügige Spender angewiesen. Die Zeremonie geht los: das Geburtstagskind bekommt von jedem Schüler und jeder Schülerin eine Blume. Die Kinder singen gute Wünsche. Es kommt ein riiiesen Strauss zusammen, der in keiner Vase Platz hat, sondern einen eigenen Tisch bekommt. Anschliessend nehmen die Kinder in der Dining-Hall Platz. Ganz still ist es. Vor dem Essen wird meditiert. Und die Donatoren geben denjenigen, die noch Hunger haben und dies mit Aufzeigen signalisieren, Essen nach. Auch wir helfen gerne mit. Heute strahlen die Augen der Kinder ganz besonders. Denn zum Dessert gibt es feines Eis!

12 Uhr: Auch wir bekommen jetzt Mittagessen. Wir freuen uns natürlich auch schon sehr! Denn auch wir bekommen Eis zum Nachtisch. 

Die vielen Frauen, die schon seit früh morgens in der Küche gearbeitet haben, setzen sich ihren Strohhut auf und gehen nach Hause.

13 Uhr:
Wir laufen nochmals zur Bibliothek, um zu schauen ob jetzt Strom da ist. Fehlanzeige. So gehen wir nach Hause und nehmen eine kalte Dusche. Die uns jetzt gar nicht mehr so viel Überwindung kostet, da es am Mittag mittlerweile auch schon schön heiss geworden ist.

14 Uhr: „I wish you a merry Christmas, I wish you a merry Christmas...“: das Telefon von Sayadaw klingelt und wir schmunzeln über den christlichen Weihnachtssong im buddhistischen Kloster. Aber der Klingelton ist passend, denn das Kloster ist sehr engagiert den Austausch zwischen verschiedenen Religionen zu fördern. So war letzte Woche eine Gruppe junger Leute zu einem mehrtägigen Interfaith-Workshop hier. Sie kamen aus Myanmar und den umliegenden Ländern. Buddhisten, Hindus, Christen, Muslime und Juden. Für Myanmar ein wichtiges Thema, da das Land aus sehr vielen Ethnien besteht und es immer wieder zu Konflikten kommt.

Endlich – wir haben Strom und der Computer funktioniert. Gut, denn schliesslich sind wir auch zum Arbeiten hier. Wir unterstützen das Kloster dabei, Projektbeschreibungen für anstehende Projekte zu verfassen, damit diese via Stiftungen finanziert werden können. Ko-Tun, kein Mönch aber vor einem Jahr den Managerjob aufgegeben und im Kloster lebend, erzählt uns alles dazu. Wir können nur staunen über seine Energie und sein Wissen.
Das Hauptprojekt ist der Ausbau der Schule von der heutigen Grundschule auf Kindergarten bis Sekundarschule. Zudem sollen noch mehr Flüchtlingskinder hier ein Zuhause und eine gute Ausbildung erhalten.
Für die älteren Kinder möchte die Schule noch mehr Computer- und Englischkurse anbieten - Voraussetzung für den Besuch einer Uni oder das Finden eines guten Jobs.
Zudem soll die Klinik, die heute nur samstags offen hat, zu einer permanenten Klinik ausgebaut werden. Denn in der nahen Umgebung gibt es weit und breit keine medizinische Versorgung.
Und da für das Kloster aufgrund der buddhistischen Tradition Umweltschutz sehr wichtig ist, möchte die Schule das viele Sonnenlicht nutzen und auf Solarenergie umstellen.

17 Uhr: Wir gehen zum „Peaceful Botanical Garden“, der ebenfalls zur Schule gehört, und machen ein paar Fotos. Frauen winken uns zu sich. Sie ernten Chilis und wir bestaunen die scharfe Ernte aus nächster Nähe. Auf dem Rückweg ins Kloster schauen wir Jungs beim Chinlon-Spiel zu. Und bekommen auf dem Heimweg eine Ahnung, wie sich Queen Elisabeth fühlt: überall winken uns Leute zu und wir winken zurück. Und wir lachen darüber, dass uns die Leute Mingalaba und Tschesuthemate nennen. Denn viel grösser als diese beiden Worte ist unser Wortschatz in Burmesisch leider immer noch nicht. Daher beschränkt sich unsere Konversation mit den Dorfbewohnern auf diese zwei Worte. Mingalaba, „Hallo/Guten Tag“, und Tschesuthemate, „Danke“*.

18 Uhr: Die Mönche dürfen schon seit 12 Uhr mittags nichts mehr essen. Wir zum Glück schon. Es gibt Reis, verschiedene Gemüse, Fisch und dazu Tee. Lange sind wir nicht alleine am Tisch. Ein paar Jungs, die im Kloster arbeiten, gesellen sich zu uns und fragen uns neugierig in gebrochenem Englisch über „Switzerland“ aus. Dazu, welche Pflanzen bei uns wachsen und welche Sportarten man bei uns macht. Begeistert sind sie, wenn wir vom Schnee und Skifahren erzählen.

19 Uhr: Zwei Männer treffen auf dem Gelände ein. Es sind die Vorsteher der umliegenden Dörfer. Gemeinsam mit Sayadaw besprechen sie Dies und Das. Und auch wir werden oft an den selben Tisch gebeten. So sitzen wir im Dunklen, hören zu. Es gibt für Sayadaw heisses Wasser mit Honig und für uns Nicht-Mönche feine Kekse aus Mandalay. Das Telefon klingelt immer wieder: zukünftige Donations müssen organisiert werden. Und Dhamma-Preachings, d.h. öffentliche Reden über religiöse und soziale Themen, die Sayadaw abends regelmässig vor mehreren Tausend Leuten hält.
Während wir da sitzen hören wir im Hintergrund die Waisenkinder, die hier auf dem Gelände wohnen. Sie lernen und singen Lieder aus dem Shan-Staat. Der Gegend, aus der sie kommen und die sie aufgrund von Konflikten verlassen mussten.

20 Uhr: Während wir schon langsam müde werden, müssen Sayadaw und Ko-Tun nochmals wegfahren. Es geht nicht lang und der einzige Fernseher auf dem Gelände wird eingeschaltet. Alle, die noch hier sind schnappen sich einen Stuhl und schauen gebannt Musikvideos. Von Stille keine Spur.

21 Uhr: Die Leute im Dorf diskutieren immer noch angeregt. Ob Mingalaba und Tschesuthemate ihren Lebensretter schon gefunden haben (siehe vorletzter Blog-Eintrag)?

22 Uhr: Es wird ruhiger. Wir gehen in unser eigenes Bungalow. Lesen, schreiben ein wenig, schauen die Fotos vom Tag an. Wir hören die Grillen zirpen und Geckos pfeifen. Und träumen, wir würden in einem Kloster in Burma leben. Um 4 Uhr aufstehen? Stille? Meditation? Nur trockener Reis? Und ab 12 Uhr mittags gar nichts mehr zu essen? Zum Glück ist es anders gekommen.


* Mingalaba und Tschesuthemate spricht man ungefähr so aus. Schreiben tut man‘s ganz anders.

 
Auf dem Weg zur Schule

Kleiner Frechdachs

Thanaka im Gesicht

Vorbereitung zur Geburtstags-Donation
Blumen und gute Wünsche für's Geburtstagskind

Food Donation


Fotos: Ingo Albrecht, http://ingoalbrecht.photography
Danach gehts wieder in die Schule

Fotos: Ingo Albrecht, http://ingoalbrecht.photography 
Medizinische Versorgung dank freiwilligen Ärzten

Tschesuthemate verteilt Zahnbürsten und Zahnpasta an die Kinder - danke an Sören und Unilever

Interfaith Workshop im Kloster

Fotos: Ingo Albrecht, http://ingoalbrecht.photography
Peaceful Botanical Garden
Chili-Ernte

Fotos: Ingo Albrecht, http://ingoalbrecht.photography
Feierabend-Verkehr in Kyauktan

Mingalaba
Überraschung im Kloster - die drei kleinen Schweinchen sind überall

3 Kommentare:

  1. sehr spannend, eure Eindrücke und Reise zu verfolgen! Alles Liebe

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  2. Oh, vielen Dank für den ausführlichen Bericht! Da sind wir ganz nah dran an den Abenteuern von Mingalaba und Tschesuthemate. Es klingt so, als hättet ihr wahnsinnig viel Spaß, ich freue mich so für euch!

    Ganz liebe Grüße!

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